Sean Russell | Sturmvogel

Swan's War

Swan's War

Swan’s War. The Isle of Battle, Heyne 2004

Leseprobe

Beldor wurde auf einen kalten, grobkörnigen Steinboden geschleudert. Um ihn herum herrschte schwaches Dämmerlicht. Der Diener des Todes entfloh in die Nacht, und das Echo seines Schreis hallte nach wie in einem Albtraum. Die Klauen dieser Wesen waren giftig, dessen war er gewiss, denn er konnte seine Glieder kaum bewegen. Nun lag er auf diesen Steinen und harrte des Todes, der ihn bald mit seinem eisigen Odem streifen würde.
Rechter Hand erstreckte sich quecksilbergraues Wasser, zu seiner Linken erhob sich eine Wand ins Dunkel. Zu seiner eigenen Schande begann er hemmungslos zu schluchzen. War nun seine Zeit gekommen? Freilich rührte seine Verzweiflung vor allem daher, dass ihn die Diener des Todes unterbrochen hatten, als er gerade im Begriff war, Toren an eben diesen Ort zu schicken. Hoffentlich hatten ihn diese garstigen Wesen wenigstens auch mitgenommen.
Der Stein unter ihm begann zu beben, und ein schreckliches Knarren und Schleifen drang an sein Ohr, als die Wand über ihm in Bewegung geriet.
Die Pforte des Todes!
Er versuchte, sich zu bewegen, wegzukriechen, doch gleichzeitig konnte er seine Augen nicht abwenden. Des Lebens größtes Rätsel lag unmittelbar vor ihm. Was verbarg sich hinter diesem Tor? Noch nie war jemand zurückgekehrt, um davon zu berichten. Und er würde nun alles erfahren.
Das Knarren der Pforte schien Stunden zu dauern. Durch den Spalt drang ein dunkler Fleck, der sich auf dem Boden langsam ausbreitete. Beldor hatte sich ein Stück weit wegschleppen können, doch nun musste er erschöpft innehalten, während sein Schluchzen zu einem Wimmern erstarb.
Wie sinnlos ihm nun alles vorkam, seine hochtrabenden Pläne, sein absurder Hochmut, seine Prahlereien, seine lächerlichen Triumphe … Wie der einfachste Bauer lag er hier, zitternd vor Angst, und von seinem Renné’schen Familienstolz war nicht mehr geblieben als ein erbärmliches Gewinsel.
Durch den Spalt hörte er Huschen und unverständliches Murmeln. Einen Moment lang schloss er die Augen, so unerträglich erschien ihm plötzlich der Anblick des Todes.
Es herrschte Stille. Und doch fühlte er eine Präsenz – ein kalter Hauch, wie wenn die Tür eines Kühlhauses geöffnet wird. Als er die Anspannung nicht mehr länger ertrug, blickte er auf.
Ein Schatten schwebte über ihm, so schwarz wie ein Brunnen bei Nacht, nichts als konturen- und gesichtslose Düsternis.
„So begegnen wir uns also endlich, Gevatter Tod“, flüsterte Beld. Sein Mund war trocken, die Zunge aufgequollen wie Teig.
„Zuviel der Ehre für dich, Beldor Renné“, zischte eine Stimme. „Der Tod nimmt dein Wandeln kaum zur Kenntnis – ebenso wie das Leben. Aber vielleicht bekommst du noch einmal eine Chance, Spuren zu hinterlassen, den Lauf der Dinge zu beeinflussen …“ Die Stimme verstummte, und Beldor fühlte sich abwägend gemustert. Mühevoll hievte er sich auf die Knie, wo er keuchend verharrte, den Kopf vornüber gebeugt, weil er zu schwach war, ihn gerade auf den Schultern zu tragen.
„Du könntest von gewissem Nutzen sein“, zischte es aus dem Dunkel. „Ich bin die Hand des Todes, und ich habe eine Aufgabe für dich, Beldor Renné. Wenn du sie übernimmst, kannst du in das Reich der Lebenden zurückkehren, wo du den Rest deiner Tage verbringen wirst … sofern dich nicht ein Schwertstoß vorzeitig hierher zurückbringt. Was hast du dazu zu sagen, Beldor Renné? Die wenigsten erlangen ein zweites Leben.“
„Was immer du willst“, keuchte Beldor, „ich werde es tun.“

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